Mit dem Fahrrad auf Reisen: Nord-Spanien


Die grüne Kette der baskischen Pyrenäen, dann die weiten Weingebiete der Rioja, das kastilische Ödland und die saftigen Wiesen Galiciens. Kirchen, Klöster und Kastelle säumen den Weg. Dazwischen verlassene Örtchen und Einsiedeleien, die imposanten Kathedralen von Burgos und León. Santiago de Compostela: Endlich hat man sie erreicht, die grandiose Pilgerstadt, heute Kulturdenkmal der Menschheit. Hier erweist man dem Grab des Apostels Jakob die Ehre – wie seit dem Mittelalter Millionen von Wallfahrern und unzählige Könige aus aller Herren Länder. Ob aus tiefem Glauben oder sportlichem Antrieb: In den letzten Jahren hat es immer mehr Pilger der Neuzeit nach Santiago gezogen. Nicht zu Fuß, auch mit dem Rad nehmen viele den Jakobsweg ab der französisch-spanischen Grenze in Angriff – diesem Strom an Aktivurlaubern trägt das Buch Rechnung.

Spaniens Norden hört für uns nicht in Santiago de Compostela auf. Weiter geht's in den Nordosten Galiciens: Fischerdorf neben Fischerdorf, Fjord an Fjord, der Blick auf Kap Finisterre, das »Ende der Welt«. In Asturien und Kantabrien sieht man auf der schmalen Schneise zwischen Gebirge und Atlantik nur noch grün – bis einem in benachbarten baskischen Küstengegenden angesichts von Schwerindustrien um Bilbao schwarz vor Augen werden kann. Kontraste über Kontraste – die letzteren weniger erbaulich – prägen Spaniens Norden. Dennoch: Selbst eine zunächst gräuliche Stadt wie Bilbao überrascht mit einem erfrischend vitalen Zentrum. Mit Museen, verwinkelten Gässchen und einer großzügigen Plaza. Dort laufen die Fäden in der Altstadt zusammen, hier tollt der baskische Nachwuchs mit Plastik- und Pelotabällen, hier lohnt sich die Rast auf den Freiluftterrassen. Und wer sich aus Bilbao löst, erreicht bald wieder herrliche Nebenstraßen und atmet den frischen Duft von Eukalyptuswäldern ein.

Wer sich auf spanisches Lebensgefühl einlässt, braucht, nach unserem kühlen mitteleuropäischen Maß, ein warmes Gemüt und viel Geduld. Fast mehr Geduld als Gemüt. Ergötzlich klingt's, wenn uns andere von der berüchtigten spanischen mañana-Mentalität erzählen – kein Problem, wird morgen erledigt. Als weniger heiter mag man im Reisealltag empfinden, wenn uns der Chef der Fahrradwerkstatt – seelenruhig und freundlich lächelnd – zum drittenmal aufs dringend benötigte Ersatzteil vertröstet. Sie denken, hier tischt Ihnen jemand Klischees auf? Hand aufs Herz – nein. Dazu hat der Autor dieses Buches zulange in Spanien gewohnt und gewartet.

Apropos Klischees: Ferienrummel, zubetonierte Buchten und überlaufene Strände finden Sie ebenso wenig wie den Flamenco, die feurige Carmen und Sonnengarantie mit stahlblauem Himmel. Spaniens grüner Norden will grünen und macht vor Jahreszeiten und deutschsprachigen Radlern nicht halt. Im Klartext: Der Regenschutz ist wichtiger als die Zahnbürste.

Wer sich allzu durchweicht fühlt (soll vorkommen), wärmt sich in der nächsten urigen Ortskneipe mit starkem Milchkaffee oder einem appetitlich großen Kartoffelomelette (tortilla de patata). Wem's zu heiß wird (soll auch vorkommen), der trinkt aus dem nächsten quellfrischen Brunnen in der Dorfmitte.

Buen viaje – gute Reise.

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