Mit dem Fahrrad auf Reisen: die Niederlande.


Eigentlich sollte man meinen, daß ein Plädoyer für Fahrradreisen in den Niederlanden gleichbedeutend damit wäre, Windmühlen nach Holland zu bringen. Der Ruf unseres Nachbarlandes als Paradies für Fahrradfahrer ist allseits bekannt und anerkannt.

In der Tat bilden die Niederlande (verkehrspolitisch) ein lobenswerte Ausnahme in Hinblick auf eine Planung, die den Fahrradverkehr dort als gleichberechtigt neben Autos und Fußgängern anerkennt und ihm eigenen Verkehrsraum überläßt. Dabei wird die Trennung der verschiedenen Verkehrsteilnehmer voneinander viel konsequenter durchgeführt als in deutschen Landen; die Fahrradrouten sind sehr oft über Nebenstraßen oder gesonderte Fahrradspuren geführt und hinreichend breit ausgelegt, also nicht mit den Radwegkarikaturen deutscher Bauart ohne Überholmöglichkeit zu vergleichen. Die Benutzung der meisten Hauptverbindungsstraßen ist dem Radfahrer dementsprechend verboten; der Radfahrverkehr wird über – teils weitgehend anders geführte – Nebenstrecken und Fahrradrouten geleitet. Über diese Wege kann jeder Ort der Niederlande per Fahrrad erreicht werden.

Für den Fahrradtouristen muß das von Vorurteilen geprägte Bild der Niederlande als eines einförmigen, völlig flachen Landes, das fast nur aus Städten, Kanälen und Feldern besteht, korrigiert werden. Waldreiche Naturparks, verzweigte Wassersportgebiete und wenige, aber teils steile Hügel sind für Autofahrer weitgehend unzugänglich, hingegen durch idyllische Fahrradstrecken erschlossen. Wer die Autobahnperspektive verläßt, kann landschaftlichen Abwechslungsreichtum à la Holland entdecken, die Niederlande von ihrer schönsten Seite genießen, den Blick für das Gegensätzliche des Landes entwickeln – einerseits Bedachtsamkeit, Calvinismus, Kaffee und Borrelstunde, Klompen, Käse und Windmühlen, andererseits schillernde Parteienvielfalt, Geschäftssinn, Liberalität, Hausbesetzer und exportorientierte Industrie.

Die unkomplizierte Anreise, die geringen Entfernungen innerhalb Hollands und der zu Recht bestehende Ruf der Niederländer als weltoffenes und fremdsprachenbegabtes Volk machen unser Nachbarland zu einem idealen Reisegebiet auch für solche Radtouristen, die eventuell nur wenige Tage und über kürzere Strecken unterwegs sein möchten. Allerdings sollte gerade in Holland des Fahrradfahrers bester Feind, der Gegenwind, nicht unterschätzt werden. Die ebene Oberflächengestalt der Niederlande setzt dem Wind keinerlei nennenswerte Hindernisse entgegen, so daß es sich empfiehlt, diesem Umstand Rechnung zu tragen und die Streckenführung nach dem Wind auszurichten.

Da dieser in der Regel vom Meer, also aus westlichen Richtungen weht, ist es ratsam, die Reise entweder im Westen zu beginnen oder eine Rundreisestrecke so zusammenzustellen, daß der westlichste Ort auf möglichst kurzem Weg erreicht wird.

Trotz der überall vorhandenen Fahrradwege/-routen gibt es einen Teil Hollands, der für eine Fahrradreise nur sehr bedingt zu empfehlen ist: die Randstad. So nennen die Holländer jenen dichtbesiedelten Streifen von Amsterdam bis Rotterdam, der durch viele größere Städte zu einem fast lückenlosen Bebauungsgebiet geworden ist. Die zwischenörtlichen Radwege führen dort sehr oft direkt neben Autobahnen und anderen Schnellstraßen her, so daß ein entspanntes Fahrradfahren größtenteils unmöglich ist. Sinnvoll ist deshalb, diesen Teil der Niederlande entweder ganz von einer Fahrradreise auszusparen oder die dort zurückgelegten Strecken auf ein Minimum zu beschränken. Wer auf den Besuch der schönen alten Städte dieser Region, wie Amsterdam, Leiden, Delft oder Gouda, nicht verzichten möchte, sollte unnötiges Hin- und Herkreuzen in der Randstad zu vermeiden versuchen.

Die Rücksichtnahme auf die Gegebenheiten des Windes einerseits und der Randstad andererseits führen zu folgender Empfehlung für die Routenführung einer Fahrradreise:

- Wer vor allem die südliche Hälfte der Niederlande, aber auch einen Teil der Randstad besuchen will, sollte am nordwestlichsten Punkt der Route starten und von dort aus südwärts fahren.
- Wer sich eher für den nördlichen Teil Hollands interessiert, aber ebenfalls einige Gebiete der Randstad aufsuchen möchte, sollte am südwestlichsten Punkt die Reise beginnen und nordwärts weiterfahren.
- Wer die Randstad gar nicht besuchen oder die Niederlande vollständig durchradeln möchte, kann seine Reise getrost beliebig nach Norden oder Süden ausrichten (dem Gegenwind kann dabei ohnehin nicht entwischt werden).