Mit dem Fahrrad auf Reisen: England

Lake District

auf den Pedalen mit eigener Kraft und dem Wind in den Haaren kennenlernen, heißt, eine glückliche Wahl getroffen zu haben. Die britische Insel bietet mit ihren landschaftlichen Reizen und kulturellen Regionalismen ein weites Feld abwechslungsreicher Erlebnisräume: vom ackerbaulich geprägten, saftigen „Garten Kent“, über die geschäftigen, turbulenten Ausflugs- und Urlaubshochburgen an der Südküste sowie die menschenleeren, der Einsamkeit Tor und Tür öffnenden Moore im Südwesten und Norden reicht das Angebot bis hin zur rauhen, tosenden Atlantikküste, die die kahlen Hochebenen Cornwalls umrahmt, wo sich in der untergehenden Sonne die Silhouetten ehemals dem Land zu Reichtum verhelfender Industriedenkmale am Horizont abzeichnen. Ja, es wird darüber hinaus angereichert mit den wildromantischen See-Kulissen, z.B. des Lake Distrikt, im hohen Norden. Dazu gesellen sich noch unzählige beschauliche Nischen, die für Überraschungen sorgen – wer würde z.B. an den vom Atlantik umbrandeten Steilklippen des Südwestens Palmen vermuten.

England ist für jeden reisenswert; gleich, ob die Gemütslage gerade Erlebnishunger verspürt oder sich nach Ruhe und Entspannung sehnt. Komme es, wie es wolle; dieses Land vermag wohl jeden Gast im Lauf einer Fahrt auf heckengesäumten schmalen Fahrwegen, auf denen sich nur ab und an ein Farmer samt seinem motorgetriebenen Vehikel sehen läßt, vorbei an Wind und Wetter trutzenden Normannenburgen und Herrensitzen, die geballt alle Pracht des Adels in grüner Flur ausbreiten, oder wenn der Weg durch die emsiges Treiben bietenden Hafenstädte führt, zufriedenzustellen.

Wen das noch nicht vom Sessel auf den Sattel zieht, für den hält das Land, wo die Wiege des mit allerlei Mythen umwobenen König Artus stand, auch Geheimnisvolles bereit. Doch nicht nur das Nachradeln der Spuren dieses legendären Kämpfers ermöglicht das Betreten einer „anderen Welt“, wurde dem Okkulten auf der Insel doch schon immer Aufmerksamkeit geschenkt, wie es die gewaltigen Steine in der Salisbury Plain mit dem Mekka Stonehenge bezeugen. Natürlich ließe sich jetzt eine endlose Liste derlei aufzählen – ist Großbritannien doch die Urheimat der Geister, die ihr Unwesen in verfallenen Klöstern und Herrenhäusern treiben und nur darauf warten, ein paar Veloreisende zu erschrecken – doch dazu erst später mehr.

Wie auch immer die Erlebnisse des Tages sein werden, es steht den Insel-Gästen ein reichhaltiges Angebot offen, um aufkeimender Unlust zu begegnen. So finden Sie auch in den weniger dicht besiedelten Regionen Übernachtungsmöglichkeiten und Versorgungsstätten, die dem leiblichen Wohl wieder auf die Sprünge helfen. Ein Pub mit Biergarten, in dem unter weit ausladendem Geäst einer betagten knorrigen Eiche gespeist und gebechert wird, ist in jeder Grafschaft am Wegesrand zu finden. Wohltuend ist nach einem anstrengenden Radlertag auch der freundliche Empfang in einem der im ganzen Land gebotenen Privatquartiere, wo Sie die Gastgeber gern auch nur für eine Nacht aufnehmen und morgens erst nach einem köstlichen, opulenten Frühstück des Weges ziehen lassen.

Das werden Sie allerdings auch brauchen, und wer jetzt noch leicht angewidert an eine üppige – teils warme – Mahlzeit am frühen Morgen denkt, wird vor Ort schnell eines Besseren belehrt. Denn erstens herrschen in England natürlich keine tropischen Temperaturen, und zweitens ist es in weiten Teilen des Landes dermaßen hügelig, daß Ihre Waden ungeheure Leistungen vollbringen müssen, was bekannterweise den Appetit anregt. Selbst mit einem für eine derartige Topografie geeigneten Fahrrad werden Sie sich zeitweise genauso geschafft fühlen wie Tour-de-France-Fahrer und sich am nächsten Morgen auf nichts sehnlicher als ein „real english breakfast“ freuen. Guten Appetit!

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